Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS)

Historische Verkehrswege hinterlassen Spuren in der Zeit, schlagen Brücken von der Vergangenheit in die Gegenwart. Ziel des Bundesinventars der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS) ist es, diese wichtigen Zeitzeugen zu erhalten und zu pflegen.


Im Fokus

Die Nachführung des IVS-Bundesinventars

Die gesetzlich vorgeschriebene Aktualisierung des Inventars der historischen Verkehrswege der Schweiz soll bis spätestens 2035 die anerkannten Schwächen beheben, nachgewiesene Lücken schliessen und auch die Anwendbarkeit in der Praxis verbessern. Seit Anfang 2022 bereitet das Bundesamt für Strassen (ASTRA) die Nachführung des IVS-Inventars vor. Zu diesem Zweck entwickelt das ASTRA ein digitales Erfassungstool, das auch den Kantonen zur Bearbeitung der inventarisierten Objekte von regionaler und lokaler Bedeutung zur Verfügung gestellt werden soll. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Aktualisierung des Inventars insgesamt geleistet.
Fachbeitrag in Wege und Geschichte, 02/2023

Finanzhilfegesuche

Für eine Abwicklung von Finanzhilfegesuchen stellt die Fachstelle des Bundes für die historischen Verkehrswege ein Vorgehensschema und Formulare zur Verfügung.

 

Erläuternder Bericht VIVS

Der erläuternde Bericht zur «Verordnung über das Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (VIVS)» ist die unverzichtbare Wegleitung für eine aktive Umsetzung der Verordnung – und damit auch für erfolgreiche Finanzhilfeprojekte.

Tätigkeitsbericht Historische Verkehrswege

Der Tätigkeitsbericht Historische Verkehrswege beleuchtet, wie die Idee für das Bundesinventar der historischen Verkehrswege entstanden ist, wie das Inventar erarbeitet und ab 2010 in der Praxis etabliert wurde. Die zahlreichen im Bericht beschriebenen Projekte zeugen von der Vielfalt der IVS-Objekte und der Aufgaben der IVS-Fachstelle. Der Bund leistet zusammen mit den Kantonen, mit Gemeinden, privaten lokalen Trägerschaften, Fachplanenden und Ausführenden einen wichtigen Beitrag für den Schutz und die Instandsetzung historischer Verkehrswege.
Der Bericht kann hier (PDF, 4.5 MB) heruntergeladen werden.

Front Taetigkeitsbericht
 

 

 

Aktuelles Fallbeispiel: Traditionelle Handwerkskunst auf über 2500 m Höhe

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(Fotos Slider: Gruner)

 

Von Soglio im bündnerischen Bergell führt ein steiler Bergweg 1600 Höhenmeter hinauf auf den Prasgnola-Pass auf 2724 m Höhe. Was heute eine anspruchsvolle Wanderung durch ein faszinierendes, hochalpines Gelände ist, war ab dem 15. Jahrhundert ein gefährlicher und Kräfte zehrender Saumweg, über den die Bauern von Soglio und Castasegna ihr Vieh zu den Alpen im Val Madris trieben. Diese Alpweiden liegen auf der anderen Seite des Passes auf rund 2000 m Höhe und waren nach und nach in den Besitz der Bergeller Bauern gekommen.

Der historische Gebirgsweg zeigt, welche Mühen die Bergbauern in der frühen Neuzeit auf sich nehmen mussten, um mithilfe der Alpwirtschaft ihr karges Auskommen zu sichern. Die wirtschaftliche Bedeutung war für die Bauern aus dem Bergell so hoch, dass sie den Weg mit allen Mitteln auch an den schwierigsten Stellen zugänglich machten. Dafür schufen sie auf 2500 m Höhe die Treppenanlage «I Trapet» – eine eindrückliche und einzigartige Konstruktion, die Zeugnis gibt vom unbändigen Willen und der hohen Handwerkskunst der damaligen Bewohner der Region.

Hochgebirgstreppe in Schieflage

Die Treppenstufen von «I Trapet» sind 1,5 bis 2 m breit. Talseitig werden sie von bis zu 4 m hohen, trockengeschichteten Stützmauern aus lokalen Lesesteinen gehalten. Mit 300 Stufen überwindet die rund 250 m lange «Treppe» einen topographisch schwierigen Wegabschnitt, der früher an einem zerklüfteten Gletscher vorbeigeführt hatte. Die Stufen aus zum Teil tonnenschweren Steinblöcken schmiegen sich eng an den kahlen, abschüssigen Felsen.

Seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts bewirtschaften die Bergeller Gemeinden die Alpen im Val Madris nicht mehr selbst. So verloren die Treppen beim Prasgnola-Pass ihre Bedeutung für die Alpwirtschaft und wurden kaum mehr unterhalten. 1991 führte ein internationales Zivildienstteam bei «I Trapet» zwar während zweier Wochen Sanierungsarbeiten durch, bei denen jedoch mehrheitlich nur der Schutt weggeräumt wurde.

So entstanden an der Treppenanlage über die Jahre substanzielle Schäden. Diese veranlassten die Bergeller Dörfer, die sich 2010 zur Gemeinde Bregaglia zusammengeschlossen hatten, zu einem Instandsetzungsprojekt. Im Jahr 2019 fand eine Begehung statt, an der die Gemeinde Bregaglia, die Denkmalpflege Graubünden, das ASTRA sowie eine Arbeitsgemeinschaft spezialisierter Handwerksbetriebe für Trockenmauern und traditionelles Maurerhandwerk teilnahmen. Aufgrund dieser örtlichen Untersuchungen entstand eine detaillierte Schadenserfassung und das Massnahmenkonzept für die Instandsetzungsarbeiten. Diese konnten schliesslich im Sommer 2022 bei besten Wetterbedingungen realisiert werden.

Traditionelle Handwerkskunst auf 2500 m Höhe

Die elf beigezogenen Maurer und Steinmetze verfügen alle über ausgewiesene Erfahrung mit dem traditionellen Maurerhandwerk. Doch auch für sie waren die Arbeiten an der Treppenanlage etwas Besonderes. Sechs Wochen arbeiteten und lebten die Handwerker zusammen auf der hochalpinen Baustelle. Um das einzigartige Bauwerk langfristig zu erhalten, mussten eingestürzte oder davon bedrohte Bereiche wieder aufgebaut werden. Zudem wurde die Treppe von Geröll und starkem Bewuchs befreit und die herausgerutschten und fehlenden Fundamentsteine lokal ersetzt. Ebenso wurden wackelnde Treppenstufen neu verkeilt.

Bei den Instandsetzungsarbeiten achteten die Spezialisten besonders auf eine fach- und materialgerechte Sanierung. So wurde «I Trapet» originalgetreu wiederaufgebaut, wobei bewusst auf moderne, technische Lösungen verzichtet wurde. Um das Denkmal in seiner überlieferten Substanz zu erhalten, wurden beispielsweise weder Mörtel noch technische Felsverankerungen eingesetzt. Ebenso wurden für die Arbeiten durchgängig Lesesteine aus der nahen Umgebung genutzt. Ganz abgesehen davon, dass alle Arbeiten in traditioneller Bauweise überwiegend in Handarbeit erfolgten. Mit Projektkosten von 190'000 Franken wurden rund 1400 Arbeitsstunden aufgewendet, um 25 m2 Mauerwerk, 50 m2 Treppenstufen und 10 m2 Fundamentsanierungen zu realisieren. Zudem wurde eine Treppenfläche von 130 m2 gereinigt und konsolidiert.

Leben auf der Baustelle

Die Treppenanlage «I Trapet» ist nur zu Fuss in einem über zweistündigen Aufstieg von der letzten befahrbaren Strasse aus erreichbar. Es blieb daher nichts anderes übrig, als für die Handwerker in der Nähe der Baustelle einen Küchen- und einen Materialcontainer zu installieren. Das Material dafür und die Lebensmittel für die ganze Dauer des Projekts wurden jedoch mit dem Helikopter auf den Prasgnola-Pass geflogen.

Die vierzehn Maurer, Steinmetze und Gerüstbauer, die an den Instandsetzungsarbeiten beteiligt waren, übernachteten jeweils in kleinen Personenzelten. Das benötigte Wasser konnte an der gegenüberliegenden Hangseite gefasst und zur Unterkunft geleitet werden. Zudem diente ein mobiles Kompost-WC als Toilette. Nach Abschluss der Arbeiten wurden alle Installationen des «Handwerker-Camps» sauber zurückgebaut. Mit dieser Vorgehensweise konnte die Umweltbelastung der Instandsetzungsarbeiten auf ein Minimum reduziert werden.

Quelle: I Trapet. Treppenanlage am Prasignolapass. Interventionsbericht 2022 (Lukas Suter, T. Neuweiler GmbH).

Sehen Sie hier das Video von Alexander Bartels zu diesem aussergewöhnlichen Instandsetzungsprojekt.