Praxisbeispiel Twingistrasse Binn VS
IVS-Objekt VS 194.0.2 im IVS-GIS
Über längere Strecken begleiten Brüstungsmauern die Twingistrasse (Foto: F. Bieri, Basler & Hofmann)
Die Brüstungsmauern schützen die Reisenden an steil abfallenden Stellen (Foto: F. Bieri, Basler & Hofmann)
IVS-Objekt: VS 194.0.2
Bedeutung nach NHG: national, mit viel Substanz
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Die Geländebezeichnung „Gäh Tod“ am Eingang der Twingischlucht lässt vermuten, dass es sich beim Weg durch die Schlucht um einen gefährlichen Wegabschnitt handelte. Lawinen im Winter und Steinschlag im Frühjahr stellten ernstzunehmende Gefahren für Reisende zwischen Ernen und Binn dar. Die Fahrstrasse mit einer nutzbaren Breite von 3.6 m aus den Jahren 1930 bis 1938 ersetzte die 1863-1864 erbaute Wagenstrasse nach Binn. Vier Tunnels verbesserten die Sicherheit etwas, doch blieb die Strasse insbesondere im Winter gefährlich. Die detaillierte Geschichte des Weges kann in den IVS-Streckenbeschrieben VS 194 und VS 194.0.2 nachgelesen werden.
Lawinen, Steinschlag, Sturmereignisse, Rutschungen und vernachlässigter Unterhalt haben der Twingistrasse in den vergangenen Jahrzehnten zugesetzt. So weisen unter anderem die wegbegleitenden Brüstungsmauern Risse auf und zahlreiche Tombini (Wasserdurchlässe) sind mit Schutt verstopft. 2009 wurde mit der Instandstellung der Strasse begonnen. (VIASTORIA 2005)
Ausführung: 2009–2012
Instandstellungskosten: 689‘000.–
Vermörtelte Brüstungsmauern aus Natursteinen
Häufiges Schadensbild: Riss zwischen Wasserdurchlass und Mauerkrone (Foto: F. Bieri, Basler & Hofmann)
Muster, wie die Brüstungsmauer instand gestellt werden soll (Foto: C. Jost, Basler & Hofmann)
Bewegungsfugen sollen spannungsbedingte Rissbildungen verhindern (Foto: C. Jost, Basler & Hofmann)
Bei zahlreichen Brüstungsmauern bildete sich ein horizontaler Riss zwischen Mauersockel und Mauerkrone. Die Rissbildung ist wahrscheinlich auf ein unterschiedliches Schrumpf- und Dehnverhalten der verschiedenartig gemauerten Mauerbestandteile zurückzuführen (horizontal verbaute Steinschichten im Mauersockel, hochkant gestellte Steine in der Mauerkrone, Wasserdurchlässe in Gewölbeform).
Vor Beginn der eigentlichen Instandstellung wurde ein kurzer Mauerabschnitt als Muster instandgestellt und im Rahmen einer Begehung von verschiedenen Experten begutachtet. Anhand des Musters wurde entschieden, die neue Mauer jeweils auf halber Distanz zwischen zwei Wasserdurchlässen mit einer Dehnfuge zu versehen. Diese Dehnfugen, mittels einer Blechlehre auf 1 bis 2 cm Breite dimensioniert, sollen Spannungen verhindern, die zu einem Absprengen der Mauerkrone führen. Vorhandene Steine werden so weit wie möglich weiterverwendet und wo nötig mit neu zugeführten Steinen gemischt. [Aktennotiz 2011]
Wasserdurchlässe / Tombini
Reinigung des Ausgangs eines Tombinos (Foto: A. Kräuchi, Landplan)
Gereinigter Einlass eines Tombinos (Foto: F. Bieri, Basler & Hofmann)
Blick in ein Tombino (Foto: F. Bieri, Basler & Hofmann)
Die Twingistrasse weist knapp zehn Tombini auf, die zwar baulich weitgehend intakt, aber meist verstopft waren. Es genügte in der Regel, Einlass und Ausgang von Schutt und Bewuchs zu befreien, um die Wasserdurchlässe wieder funktionsfähig zu machen. Stellenweise wurde es notwendig, die Mauerabschlüsse an den Einläufen wieder zu vervollständigen. [Aktennotiz 2011]
Grenzen der Übertragbarkeit
Das Objekt stammt aus den 1930 Jahren und weist für die Epoche und den Standort typische Baumerkmale auf. Beim Übertragen der Baumethoden auf andere Projekte ist stets dem regionalen und historischen Kontext Rechnung zu tragen.
Kontaktadressen
- Projektträger: Verein Landschaftspark Binntal, Dr. Klaus Anderegg, Postfach 50, 3996 Binn,
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. - IVS-Fachstelle des Kantons Wallis: siehe Adressliste
Quellen
- VIASTORIA, 2005: Fahrstrasse 1930/38, Twingi-Schlucht. Sanierungskonzept. Bern.
- Aktennotiz, 2011: Begehung der Twingistrasse vom 3. August 2011. Inputs der Teilnehmenden. Verfasst von C. Doswald, ViaStoria. Bern.